Rechtzeitig trafen sich die 23 Reiseteilnehmer der Fördergemeinschaft für Bergmannstradition am Schirrhof in Kamp-Lintfort. Dort wartete der Reisebus der Firma Schlothmann. Die Busfahrerin Marie, in Begleitung ihres Hundes, begrüßte uns und wünschte uns eine gute Reise. Sie beförderte ihre wertvolle Fracht routiniert zum Ziel nach Recklinghausen. Während der Fahrt nutzte unser Vorsitzender Norbert Ballhaus die Gelegenheit alle Teilnehmer mit dem Bergmannsgruß „Glückauf“ zu begrüßen. Er gab uns einige Informationen über das Trainingsbergwerk-Recklinghausen. „Das Deutsche Bergbaumuseum in Bochum hat 350.000 Besucher im Jahr“, berichtete Norbert Ballhaus. „Das zweitgrößte Museum zum Steinkohlenbergbau ist das Trainingsbergwerk mit 10.000 Besuchern im Jahr. Das drittgrößte sind die Einrichtungen der Fördergemeinschaft für Bergmannstradition in Kamp-Lintfort mit mehr als 7.500 Besuchern pro Jahr.“

Planmäßig um 11:00 Uhr trafen wir – nach einer Ehrenrunde durch die Zechensiedlung – in Recklinghausen ein. Die Gästeführer des Besucherbergwerks empfingen uns bereits am Eingangstor und führten uns zum Einkleiden in die Kaue. Dort erhielten wir jeweils einen Schutzhelm und einen Fahrmantel und wurden anschließend in einen Vortragsraum geführt.

Dort begrüßte uns der Steiger Helmut Schewe mit einem herzlichen „Glückauf“ und stellte uns seine Gästeführer vor. Er berichtete über die Entstehungsgeschichte des Trainingsbergwerks und somit auch über die Gründungsgeschichte seines Vereins.

1875 ist das Bergwerk in Recklinghausen entstanden, das „Klärchen“ genannt wurde, weil es vom belgisch-luxemburgischen Konzern „Clerget“ gegründet wurde, dessen Namen für die Menschen im Ruhrgebiet nicht auszusprechen gewesen war. Bereits 1873 wurden bei einer Teufe von 225 Metern die Steinkohle führenden Schichten erreicht. 1882 begann das Abteufen eines weiteren Schachtes in Hochlarmark, der zunächst „Clerget-II“ genannt wurde. 1883 erreichte dieser Schacht bei einer Teufe von 254 Metern die Flöze, ein Jahr später wurde die Förderung aufgenommen. 1889 wurde das Bergwerk von der Harpener Bergbau AG übernommen und die Schächte in „Recklinghausen-I“ und „Recklinghausen-II“ umbenannt.

Das beim Abteufen der beiden Schächte gewonnene taube Gestein wurde auf dem Zechengelände an der Wanner Straße in der Nähe vom Schacht Recklinghausen-II zu einer Bergehalde aufgeschüttet, die eine Schütthöhe von 17 Metern erreichte. Im Zweiten Weltkrieg haben die Bergleute in den künstlichen Berg eine kreisrunde Strecke angelegt, um dort einen Luftschutzbunker samt Lazarett einzurichten. Bei Fliegeralarm fanden die Bergarbeiter und die Anwohner der benachbarten Dreieck-Siedlung wirksamen Schutz vor den Fliegerbomben. Auf der Halde wuchs im Laufe der Zeit ein dichter Baumbestand heran. Die zwischenzeitlich aufgelassenen Schutzeinrichtungen wurden 1975, kurz vor Schließung des Schachtes-II, wieder geöffnet und weiter aufgefahren. Insgesamt entstand ein Streckennetz von 1.400 Metern Länge mit verschiedenen, auch übertägigen Schulungs- und Veranstaltungsräumen.

In der Halde wurden drei verschiedene Strebe, drei Streckenvortriebe und ein Schacht angelegt. Das „Bergwerk“ wurde von der RAG zu Aus- und Weiterbildungszwecken und als Veranstaltungsort bzw. Marketinginstrument genutzt. Alles, was an Technik in einem normalen Bergwerk in großer Tiefe und über weite Flächen verstreut vorhanden ist, kann hier konzentriert an einem Ort ohne lange Anfahrtswege trainiert, geprüft und besichtigt werden. Im Trainingsbergwerk werden Maschinen und Anlagen einzeln und im Zusammenspiel miteinander erprobt und Prüfungen der Überwachungsbehörden durchgeführt.

Im Jahre 2018, nach der Schließung des letzten Deutschen Steinkohlebergwerks Proper-Haniel in Bottrop, wurde dieser Standort zur Fortbildungsabteilung der RAG „Trainingszentrum Bergbau“. Auch heute noch steht der Betrieb unter Bergaufsicht.

Heute ist es ein selbständiger Betrieb mit ehrenamtlichen Kräften des Vereins „Trainingsbergwerk Recklinghausen e.V.“. Der Vorsitzende ist Bernd-Uwe Seeger.

Nach dieser umfassenden Einführung in die Geschichte der Anlage übergab Helmut Schewe das Wort an seinen Steiger-Kollegen Lionel, der uns über die geltenden Sicherheitsvorschriften für die Befahrung des Stollens informierte.

Im Anschluss an die Unterweisung wurden wir in zwei Gruppen aufgeteilt und direkt zum Stolleneingang geführt. Unsere Gruppe wurde begleitet durch Lionel, Olaf und Rebecca.

Bei einer zweieinhalbstündigen Führung wurden uns verschiedene Betriebspunkte gezeigt, an denen durften wir die gezeigten Maschinen selbst bedienen. Viel Geschick war erforderlich beim Umgang mit einem Senklader oder bei einer Fahrt mit der Dieselkatze. Aber auch ein gemeinschaftlicher Kurztrip mit dem Grubenfahrrad bereitete den Gästen viel Freunde. Sehr beeindruckend war der geräuschvolle Betrieb des Kohlenhobels. „Es ist wie im Original, bis auf die Hitze untertage“, sagte Herbert Gratzer, Kassierer der Fördergemeinschaft.  „Ich bin fasziniert von unseren Bergleuten. Die Begeisterung für ihren Beruf ist noch heute spürbar und lässt sich an den funkelnden Augen ablesen“, resümierte  Nadine Kliver.

Bevor wir den Stollen verließen, stimmte der Steiger Helmut Schewe das Steigerlied an, das dann lautstark mit allen sieben Strophen gesungen wurde.

Pünktlich um 14:00 Uhr war die Besichtigung zu Ende. Norbert Ballhaus bedankte sich bei unseren Gastgebern für die erlebnisreiche Führung und lud die Gästeführer zu einem Gegenbesuch nach Kamp-Lintfort in unseren Lehrstollen ein.

Nachdem wir in der Kaue ausgekleidet wurden, wartete eine Stärkung im Veranstaltungsraum auf uns. Der Vorstand hatte ein schmackhaftes Mittagessen bei einem lokalen Caterer bestellt.

Nach erfolgter Stärkung versammelten wir uns im Freien für ein Gruppenfoto.

Auf dem Parkplatz stand unser Reisebus bereit, pünktlich um 15:00 Uhr begann unsere Rückreise. Planmäßig um 16:00 Uhr erreichten wir unser Ziel am Schirrhof in Kamp-Lintfort. Norbert Ballhaus bedankte sich bei unserer Busfahrerin Marie für die sichere Fahrt.

Quelle:

Text und Fotos von Dirk Thomas